Jäger unter Naturschutz

Er ängstigt manchen Schäfer und Jogger, und hält sogar Politik und Bürokratie auf Trab. Der Wolf ist zurück. Lange Zeit galt das wilde Tier hierzulande als verdrängt und ausgerottet, bis es vor neun Jahren erstmals am Straßenrand wiederentdeckt wurde – als Verkehrsopfer bei Eutin. Seitdem häufen sich die Sichtungen in Schleswig-Holstein, 29 Fälle sind dank Fotos oder DNA-Spuren erwiesen. Fachleute vermuten, dass einzelne Jungtiere aus dem Osten kommend an der Elbe entlang in Richtung Jütland wandern – auf der Suche nach neuen Revieren. Eine Ansiedelung ist im Bundesland noch nicht registriert. Eine mystische Aura umgibt den nächsten Verwandten des Hundes. Viele Völker von den Mongolen bis zu den Irokesen verehren das Tier wegen seiner ursprünglichen Kraft gar als Totem. Eher zu Unrecht gilt der Wolf hierzulande als gierig und blutrünstig. Schuld daran sind nicht zuletzt die Gebrüder Grimm, die das Märchen vom Großmutter fressenden Monster in den Kinderstuben verbreiteten. Dabei ernährt sich das menschenscheue Tier hauptsächlich von Wildtieren und könnte sogar hilfreich sein bei deren Regulierung. So hat man im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark beobachtet, dass sich nach der Rückkehr der Wölfe die Vegetation erstaunlich erholte, die bis dato von einer übergroßen Population an Rehen und Rotwild dezimiert wurde. Der Wolf ist also eher Jäger als Gejagter: In Deutschland steht er aufgrund seines Seltenheitswertes streng unter Schutz, genauer gesagt sogar EU-weit. Jagdverbände bedauern zwar, dass ihren Mitgliedern auch dann die Hände gebunden sind, wenn es gilt, ein verletztes Tier zu erlösen. Denn dies ist Polizei und Tierärzten vorbehalten. Dennoch sitzen die Grünröcke gemeinsam mit Naturschützern und Landwirten an einem Tisch, um das emotional aufgeladene Thema möglichst zur Zufriedenheit aller zu klären. Organisiert werden die Gespräche vom Landwirtschaftsministerium, das sich auch mit den Entschädigungen an Schafszüchter befasst – 160 Euro pro Lamm und 215 Euro fürs Mutterschaf. Vom „Wolfsmanagement“ ist die Rede. Der Stab an ehrenamtlichen Wolfsberatern soll von 40 auf 70 aufgestockt werden. Und ein Flyer ist in Arbeit, der Verhaltenshinweise bei Begegnungen geben wird: Auf keinen Fall füttern! „Sonst bricht man mit der Logik der Natur“, erklärt Landwirtschaftsminister Robert Habeck der Presse und nennt Vergrämung, Verjagung und Einzäunen als geeignete Vorbeugemaßnahmen. Der Wolf ist wieder da. Anfang vergangenen Jahres wurde die Herde des Schäfereibetriebs von Jan Siebels aus Blumenthal vermutlich gleich von mehreren Tieren heftig attackiert. Dabei wurden etliche Schafe gerissen. Drei Monate später wurde ein Exemplar in Altenhof angefahren, bevor es in den Wäldern entschwand. Später wurde das lahmende Tier noch mehrfach von einem Jäger in seinem Revier bei Holtsee gesichtet. Sogar an der Nordküste Jütlands wurde bereits ein toter Wolfsrüde gefunden, der ursprünglich aus Sachsen stammte. Der Wolf ist zurück, so viel ist klar. Diese Tatsache sollte in den Medien weder heruntergespielt, noch zur Panikmache genutzt werden. Das nächste Rudel lebt etwa 180 Kilometer entfernt, auf einem alten Truppenübungsplatz in der Lübtheener Heide in Mecklenburg-Vorpommern, und erfreut sich munterer Welpen. Unklar ist, ob sich die Spezies an unsere kultivierte, dichtbesiedelte Landschaft anpassen wird, um hier heimisch zu werden, oder ob sie Schleswig-Holstein nur zur Durchreise nutzt. Es bleibt ein Fragezeichen. Jutta Ehmsen

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