„Alles wird klarer“

Robert Stolz macht sich Gedanken zur veganen & vegetarischen Ernährung und schreibt fürs ultimo, Teil 2: Wenn ich als Kind im Sommer meine Großmutter Helmi in Schellhorn bei Preetz besuchte, gab es immer ein besonderes Ritual: Ich sprang mit meinen Brüdern aus dem Auto und lief nicht in die Arme meiner wartenden Omi, sondern stürzte zum Gemüsebeet. Dort zupfte ich eine Karotte am Grün heraus, wusch sie in der Regentonne und biss, laut krachend, von der Wurzel ein Stück ab. Jetzt wurde auch Omi begrüßt und die Ferien konnten beginnen. Diese Liebe zu Gemüsen und Kräutern ist seither geblieben und mit den Jahren bei mir als Küchenchef meines Sternerestaurants zu einer Leidenschaft gewachsen. Vielleicht ist es diese Neugierde aus Kindertagen, die mich immer wieder unorthodox alles probieren lässt, was hier in der Natur & Garten wächst. Seit einigen Jahren habe ich verstanden, dass die Globalisierung unseres Essens nicht meiner Art zu kochen und zu essen entspricht. Natürlich ergänze ich meine Gemüsegerichte durch Curry, Ingwer und Co., aber die Hauptbestandteile orientieren sich immer am norddeutschen Angebot und an der jeweiligen Jahreszeit. Bei meinem ersten Besuch im Restaurant NOMA in Kopenhagen 2006 sah ich, wie in einem Menü mit 100 Prozent lokalen Zutaten eine neue spannende Geschmackswelt entstehen kann. Plötzlich hatte ich verstanden, dass ich in meinem Restaurant Stolz in Plön parallel zu den Skandinaviern ebenfalls auf dem Weg zu einer neuen modernen Regionalküche war. Klar steht auf meiner Speisekarte auch Fisch und Fleisch von tollen Bauern und Fischern aus dem Norden. Aber die Gemüse üben eine magische Anziehung auf mich aus. Ich fühle mich wohl, bin glücklich, wenn ich im Frühsommer einen Wildkräutersalat mit Apfel und Haselnüssen essen oder junge Karotten mit Sanddorn abschmecken kann. Früher habe ich oft die Gemüse mit Butter, saurer Sahne oder Buttermilch kombiniert. Ich war der Meinung, dass die Milchprodukte gut zu Gemüsen passen und diese oft in Szene setzen. Aber noch klarer kommen sie zur Geltung, wenn ich ausschließlich vegetarische Komponenten zusammen füge. So lasse ich mich heute nicht mehr mit schweren Sahnesaucen „ablenken“, sondern genieße den puren Geschmack von allen Gemüsen. Seit einiger Zeit reduziere ich die Milch-sachen in meinen Gerichten und nehme viele Öle, Pflanzenmargarine, Lupinen- und Sojaprodukte. Mit Hafermilch habe ich meinen Frieden gemacht. Sie ist ein klasse Kuhmilchersatz. Zur Zeit „erfinde“ ich fast jede Woche einen veganen Brotaufstrich oder eine neue Art, ein Gemüse vegan zuzubereiten. Je öfter ich dies tue und probiere, desto leichter und klarer fühlt sich mein Geist an. Es stellt sich ein neues Körpergefühl ein, und die Gedanken sind konzentrierter. Winter-Beispiel á la Stolz: Weißkohlstreifen werden bei sehr großer Hitze gegrillt und dann mit gekochtem Nackthafer und Rapsöl vermengt. So entsteht zusammen mit Hafermilch eine Art „Nordisches Risotto“ mit Weißkohl. Eine gegrillte Stange Lauch, bestreut mit Apfelwürfel und Thymian dazu und ein Sud von entsafteten Weißkohl mit Ingwer schafft eine vegetarische Komplexität, die begeistert. Guten Appetit!

Bild: Robert Stolz, Plön (Michelin 1 Stern, Gault Millau 17 P.)

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